Mittwoch, 30. Mai 2012

Gesetzliche Betreuung

Es wird Zeit, dass ich einmal darüber berichte, wie ich zu "meinem dritten Kind mit I-Status" gekommen bin. Dieses Ausdruck meine ich durchaus wertschätzend und liebevoll, denn er zeigt ganz deutlich, dass zwischen meinen Kindern und meiner Mutter diesbezüglich Gleichheit besteht.

Nach dem ersten Schock der Diagnosestellung im Krankenhaus teilte man uns mit, dass am kommenden Tag der Amtrichter - wie immer wöchentlich - erscheinen werde, um mit den Neuzugängen Gespräche zu führen und die Entscheidung über eine mögliche gesetzliche Betreuung zu treffen. Aus einem anderen Grund hatte ich mich bereits schon einmal über Betreuung informiert, so dass ich abends zu Hause vorsorglich einen Brief verfasste, in dem ich erläuerte, warum meine Mutter eine gesetzliche Betreuung benötigte (der behandelnde Arzt hatte ebenfalls ein solches Schreiben verfasst). - Schon mehrfach hatte mich das Bankhaus angerufen und darüber informiert, dass sie in ihren Geldgeschäften nicht mehr handlungsfähig sei; wir wußten, dass sie extensiv an zahlreichen teuren Gewinnspielen teilnahm, nicht nur schriftlich, sondern auch telefonisch etc.

Innerhalb der Familie führten wir ebenfalls an diesem Abend ein ausführliches Gespräch über die Vor- und Nachteile eines verwandtschaftlichen Betreuers/in. Zunächst waren wir uns sicher, dass eine externe Betreuungsperson sicherlich besser sei, da somit evtl. verwandtschaftliche Verquickungen vermieden würden. Auf der anderen Seite hatten wir Zweifel, denn es war uns klar, dass dieser Betreuungsfall nicht nach Schema F laufen würde: Es galt, einen geeigneten Heimplatz zu finde und meine Mutter in ein Altenheim in einem anderen Bundesland zu verlegen, die Rentenansprüche in vier verschiedenen Ländern zu klären, eine Privatinsolvenz durchzuführen etc.

Der Amtsrichter erschien in Begleitung einer Berufsbetreuerin, die mir - ehrlich gesagt - sofort unsympathisch war. Meine Mutter war völlig verwirrt und konnte auf die meisten Fragen des Richters nicht wirklich antworten, - vor allem, weil sie gedanklich mit anderen Dingen beschäftigt war und diese äußerte. Das ganze Prozedere war recht nüchtern und blitzartig. Der Amtsrichter stellte fest, dass meine Mutter eine Betreuung benötige, fragte mich, ob ich das sein wolle - und nach meiner Bejahung wurde alles notiert.

Wenig später erhielt ich vom Amtsgericht meine Betreuungsurkunde, in der die einzelnen Aufgabenkreise definiert sind: Ich hatte des "Rundumsorglos"-Paket erhalten - sozusagen alles. Weitere juristische Grundlagen (u. a. § 1896 BGB) zur Betreuerbestellung findet Ihr hier oder weiter unten.

Für bestimmte Entscheidungen wie geschlossene Unterbringung und Wohnungsauflösung musste ich gesonderte Bescheide beim zuständigen Betreuungsgericht beantragen. Alles über Betreuerpflichten findet Ihr hier oder weiter unten.

Obwohl ich eine ganze Menge an zeitlichen und finanziellen Nachteilen für die Betreuung meiner Mutter in Kauf genommen habe und immer noch nehme, bin ich dennoch sehr froh darüber, dass ich diese Verantwortung übernommen habe. Jeder andere Betreuer hätte sicherlich nur "Dienst nach Vorschrift" gemacht: Meine Mutter wäre u. U. ins nächstbeste Altenheim auf irgendeine Alzheimer-Station hunderte Kilometer weit weg von uns gekommen. Verschiedene Fremdsprachenkenntnisse und den Willen, die Rentenansprüche im Ausland durchzusetzen, wären u. U. auch nicht da gewesen.

Ein dauerndes Ärgernis als verwandschaftliche Betreuerin sind die oftmals fehlende Kooperationsbereitschaft und die Art der Kommunikation mit Dritten, die entweder nicht informieren und/oder Geld sehen wollen, "weil es doch die eigene Mutter ist".

Ich werde in einem weiteren Post nochmals ausführlicher über die ganzen Ereignisse berichten, die einem als Betreuer so passieren (können).

Bürgerliches Gesetzbuch:
§ 1896: Voraussetzungen
§ 1897  Bestellung einer natürlichen Person
§ 1898 Übernahmepflicht
§ 1899 Mehrere Betreuer
§ 1900 Betreuung durch Verein oder Behörde
§ 1901 Umfang der Betreuung, Pflichten des Betreuers
§ 1901a Patientenverfügung
§ 1901b Gespräch zur Feststellung des Patientenwillens
§ 1901c Schriftliche Betreuungswünsche, Vorsorgevollmacht
§ 1902 Vertretung des Betreuten
§ 1903 Einwilligungsvorbehalt
§ 1904 Genehmigung des Betreuungsgerichts bei ärztlichen Maßnahmen
§ 1905 Sterilisation
§ 1906 Genehmigung des Betreuungsgerichts bei der Unterbringung
§ 1907 Genehmigung des Betreuungsgerichts bei der Aufgabe der Mietwohnung
§ 1908 Genehmigung des Betreuungsgerichts bei der Ausstattung

1 Kommentar:

  1. Ich fand Ihren Bericht klasse. Sehr informativ für Menschen, die mit dem Thema noch nicht so in Berührung gekommen sind. Etwas schade fand ich den Seitenhieb "unsympathische Berufsbetreuerin" und "Dienst nach Vorschrift". Ein Berufsbetreuer muss, wenn er alle Kosten (Miete Büro, div. Versicherungen, Altersvorsorge, Genossenschaft, Fortbildungen, Miete eigene Wohnung, Steuern, Fahrtkosten, Büroausstattung usw..) ca. 50 Betreuungen führen, wenn noch ca. 1800 Euro netto übrig bleiben sollen. Geht man von 1 Stunde pro Betreuung pro Woche aus, sind das 50 Stunden. Kommen extra Aufträge hinzu, dann ist man auch ganz schnell bei 60 - 70 Stunden. Die Vergütung erfolgt pauschaliert, mit 44,-- Euro (Diplom) brutto pro Stunde, da gehen also noch 19% MwSt und Einkommensteuer ab, es bleiben noch 25 Euro netto, abzüglich der o.g. Kostenpositionen. Die Vergütung eines Betreuers erfolgt pauschal, völlig egal, ob ich am Anfang 20h die Woche pro Fall oder 2h brauche. Sie haben völlig Recht das eine innerfamiliäre Betreuung (fast) immer besser sein wird, als eine berufsmäßige. Sie weisen ja selber auf den Zeitfaktor hin. Multiplizieren Sie Ihren Zeitaufwand mal 50 Fälle und berücksichtigen Sie bitte das der Tag 24h hat. Ich bin sicher, sie werden erkennen, dass das, was ein Berufsbetreuer leisten kann, nur sehr begrenzt sein kann. Die meisten Betreuer möchten einen intensiveren Kontakt zu ihren Betreuten, aber es geht schlicht nicht. Der o.g. Stundensatz stammt aus dem Jahr 2005. Seitdem hat es keine Erhöhung gegeben und zukünftige sind nicht geplant. In den letzten 7 Jahren sind alleine meine Bürostromkosten um 45% gestiegen. Ich musste jetzt mal die Lanze brechen, für diejenigen die das beruflich machen, damit wir nicht ganz so schlecht wegkommen.

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